Es gehört zur typisch deutschen Genie-Romantik, sich einen großen Schriftsteller als verinnerlichten Künstler, eben als „Dichter und Denker“ vorzustellen, der schnöden Welt entrückt, auf geistigen Wolken schwebend, von der Unbill der Alltäglichkeiten verschont und nur im Innern kämpfend und leidend. Wie wenig passt dazu das Leben von Fjodor Dostojewski! Dass er mit beiden Beinen im Leben stand, dass ihm nichts Menschliches fremd war – all das ist noch ein drastisches Understatement. In Armut geboren, mit 18 Jahren Vollwaise, ein Leben lang in finanziellen Nöten und oft auf der Flucht vor seinen Gläubigern, zum Tode verurteilt und schließlich begnadigt, als Sträfling in Sibirien und dann wieder einfacher Soldat – schier unglaublich, wie auf einem solchen Lebens- und Leidensweg fast en passant einige der größten Romane der Weltliteratur entstanden sind, darunter „Schuld und Sühne“, „Die Dämonen“ und „Die Brüder Karamasow“, von dem so unterschiedliche Menschen wie Sigmund Freud und Marcel Reich-Ranicki einmütig meinten, dass es überhaupt der größte Roman aller Zeiten sei.
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